Das Leiden der Hunde mit Hauterkrankungen (meist Räude) berührt mich immer wieder ganz besonders. Sehe ich Bilder von Hunden in Tierheimen, bleiben meine Augen immer an ihnen hängen. Oft stehen sie in der letzten Reihe, irgendwo im Hintergrund. Die meisten von ihnen suchen keinen Kontakt. Warum auch, jede Berührung der kranken Haut muss schrecklich unangenehm sein. Bei manchen sieht man nur einzelne erkrankte Stellen, so fängt es an. Im Laufe der Zeit ist dann oft der ganze Körper betroffen. Das schützende Fell wächst schon längst nicht mehr, die Haut ist nass, gerötet, heiß oder ledrig, schuppig und fettig, sie hat Krusten vom vielen Kratzen in der Hoffnung, den unerträglichen Juckreiz zu besiegen.
Was bleibt einem Wesen, das sein ganzes Leben in einem Tierheim eingesperrt ist, an Momenten, in denen es ein kleines Stück vom Leben genießen kann? Ein wildes Spiel mit den Kumpels, sich Anrempeln und die eignen Körpergrenzen spüren. Morgens nach einer kalten Nacht auf dem Hüttendach in den ersten Sonnenstrahlen liegen und sich von ihnen das Fell wärmen zu lassen. Sich einmal so richtig schön im Staub wälzen. Sich eng an die Geschwister kuscheln, um Zuwendung und Nähe zu spüren. Sich vor dem Einschlafen grunzend auf einer weichen Unterlage räkeln. Es sind die einzigen Glücksmomente, die vielen Tierheimhunden bleiben, die sie nicht ohne Grund oft eifersüchtig gegen andere Hunde verteidigen. Den Räudehunden bleibt nicht mal das. Nichts ist schön, wenn du es nicht spüren kannst. Es bleibt keine Freude, wenn alle Dinge, die Genuss schenken sollten, dir nur noch Schmerzen und Juckreiz bereiten. Manche sind beeindruckend stark und schaffen es noch eine ganze Zeit lang trotz ihres Leidens fröhlich zu sein. Im Laufe der Zeit werden aber auch sie immer ernster, ihre Augen immer trauriger und irgendwann sind sie ganz still. Hilft ihnen niemand, sterben sie irgendwann daran. Nachdem sie viele Jahre leise gelitten haben.
Sie zu sehen macht mich traurig. Es macht mich aber auch furchtbar wütend. Wütend, weil sie so oft alleine gelassen werden mit ihrem Leiden, man ihnen nicht angemessen hilft. Dabei ist die Behandlung von Räude, auch die der hartnäckigen Demodex, kein Hexenwerk und mit den richtigen Medikamenten einfach durchzuführen. Man muss es nur tun. Täglich, zuverlässig, einige Wochen lang eine Tablette verabreichen. Man darf halt nicht schludern und nicht zu früh aufhören. Ach und teuer ist es übrigens auch nicht. Vor allem nicht in Rumänien. Zwischen zwei und acht Euro kostet dort die Therapie pro Hund für zwei Monate. Natürlich muss man außerdem darauf achten, dass die Hunde nicht auf altem, gammeligem Stroh, in verdreckten Hütten oder auf matschigem Boden liegen müssen. Klingt nicht kompliziert? Scheint es aber zu sein. Sonst würden die Bilder dieser armen Kreaturen nicht immer wieder meine Wege kreuzen.
Besonders unbegreiflich ist für mich die Tatsache, dass solche Hunde nicht nur in den staatlichen Sheltern sitzen, wo man sich eh meist nicht um das Wohlergehen der Hunde schert. Nein, wir finden sie immer wieder auch in privaten Tierheimen, in denen es den Betreibern um das Schützen von Tieren geht. Jedes private Tierheim, das wir bisher unterstützt haben, hatte solche Hunde. Und jedesmal mussten wir hart darum kämpfen, dass Räudehunde rechtzeitig und medizinisch sinnvoll behandelt und nicht wahllos hin und wieder mit irgendeiner unwirksamen Creme eingeschmiert wurden, was man uns dann als „treatment“ verkaufen wollte. Ich habe auch den schlimmen Hautzustand von vielen Hunden in MC noch genau vor Augen, als wir damals zum ersten Mal unsere Zelte aufschlugen.
Inzwischen ist es zum Glück lange her, dass ich das letzte Mal in MC ankam und Hunde mit starker Räude in den Zwingern sehen musste. Meli und Sabine und auch Tibi und Johanna werden bei den ersten Anzeichen tätig, dadurch ist der Spuk vorbei, bevor er richtig angefangen hat. Im Winter wird das Stroh in den Hütten häufig ausgetauscht und sehr zeitig im Frühjahr kommt kein Stroh mehr in die Hütten. Auch das hat entscheidend zur gesunden Haut der Hunde beigetragen. Stattdessen sind aus verschiedenen Sheltern immer wieder Räudehunde zu uns gekommen und wurden erfolgreich behandelt und gesund gepflegt. Das zeigt uns, dass es möglich ist, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Hunde müssen nicht Monate, Jahre, ihr ganzes Leben darunter leiden. Auch wenn Hunde sehr ängstlich oder anderweitig schwierig sind, kann man die Räude in den Griff bekommen. Noch nie ist es daran gescheitert.
Man kann leider nicht alle Hunde in Rumänien beschützen und retten. Wenn Tierschützer aber einen Zaun um einen Teil von ihnen errichten, um sie vor den Gefahren zu beschützen, dann sollte man sich über eines im Klaren sein. Innerhalb dieses Zauns sind sie uns ausgeliefert und auf uns angewiesen. Man hat ihnen im guten Willen ihr Schicksal aus der Hand genommen und es in die eigenen Hände gelegt. Ein Projekt sollte immer nur so groß sein, dass man diese immense Verantwortung auch tragen kann. Denn fast alles, was ihnen dort widerfährt oder nicht widerfährt liegt in der Hand dessen, der diesen Zaun gebaut hat. Dazu gehört nicht nur Futter, sondern auch eine ausreichende, umfassende und fachlich fundierte! medizinische Versorgung. Nicht zu vergessen die hygienische Seite, denn schließlich können die Hunde dem Dreck nun nicht mehr entfliehen.
Warum ich diesen Text schreibe? Er wollte im Grunde schon lange geschrieben werden, in mir drin gab es ihn schon, er ist eigentlich gar nicht neu. Es gibt aber einen aktuellen Anlass, der ihn nun auf das Papier gebracht hat. 6 Hunde haben wir diese Woche aus einem privaten Shelter in Suceava übernommen. Ihre Gesichter und ihren Leidensweg beobachte ich schon lange. Nun hatten wir den Platz und die Möglichkeit, ihnen zu helfen. Bei allem Respekt, den ich für die Helfer vor Ort und die Personen, die dieses Projekt unterstützen habe, so bleibt es dennoch eine Tatsache, dass man diesen Hunden auch in Suceava hätte helfen können. Priorität müssen immer diejenigen Hunde haben, die man von sich abhängig gemacht hat. Ich hoffe zutiefst, dass meine Worte nicht als Angriff gewertet werden. Ich möchte einfach den Blick auf diese Hunde richten, die nicht weglaufen und sich einen anderen Ort suchen können. Ich hoffe, dass man diesen Hunden mehr Beachtung schenken wird. Dass man dafür sorgt, dass sich die Rahmenbedingungen so verändern, dass kein Hund in einem privaten Shelter mehr an solch einer simplen Krankheit so lange leiden muss. Ich weiß, dass mich nicht alle Menschen hören werden, die ich meine. Aber wenn es nur einer hört, hat es schon etwas genützt, dass ich diese Worte aufschreibe.
Unsere 6 Sorgenkinder sind gut angekommen. Sie sind in einem sehr schlechten Zustand. Der Zeitpunkt, wo Sauberkeit und eine Tablette am Tag ausgereicht hätten, um sie wieder auf den Damm zu bringen, ist längst vorbei. Sie werden außer den Medikamenten auch Spezialfutter sowie jede Menge Vitamine und Mineralien benötigen, um all die Defizite wieder auszugleichen. Und sehr viel Pflege. Es wird ein langer und anstrengender Weg für Meli und Sabine werden, bis diese 6 Hunde wieder wohlauf sind. Noch sind sie sehr verschüchtert, wissen noch nicht so recht, wo sie gelandet sind, sind unglaublich müde und erschöpft von der Krankheit, der Reise und der Umstellung. Der erste von ihnen kam heute Morgen schon, um mit Meli Kontakt zu knüpfen. Die anderen brauchen noch Zeit und Ruhe, um alles zu verarbeiten.
Ich wünsche ihnen, dass sie bald wieder spüren können, wie schön sich eine Berührung, ein Sonnenstrahl auf dem Pelz, eine weiche Decke anfühlt.












