völlig beschwingt hab ich einfach nur Lust zu plaudern.
Immer wieder komme ich in die Situation sagen zu müssen "ich bin im Tierschutz tätig", doch irgendwie komme ich mir dabei so ungenügend vor. Aber wie soll ich denn sonst sagen, was ich so mache...
Tierschützer, das ist ein Begriff, der für mich sehr bedeutend und "groß" ist und mit dem ich mich persönlich nicht messen möchte. Es sind für mich Menschen, die engagierte "alte Hasen" sind, Profis, die richtig Ahnung haben und die miteinander vernetzt sind bzw. fähig sind sich zu vernetzen. Wie Conny und Stefan zum Beispiel.
Anfänglich hatte ich eine rosarote Brille auf. Ich glaubte Tierschutz ist was golden Strahlendes, alle halten sich an der Hand, helfen einander und haben sich alle ganz dolle lieb. Diese Brille wurde mir mit einem Faustschlag von der Nase katapultiert. Ich hab sie wieder aufgehoben und schwubs lag sie wieder am Boden. Und ich hab sie wieder aufgesetzt, denn es gibt dieses Miteinander, man kann es immer wieder erfahren.
Als ich völlig unverhofft dazu kam war der einzigste Beitrag, den ich leisten konnte mich an der Website zu beteiligen. Mein erster und bisher auch einzigster Auftritt im Internet. Als ich das erste Mal etwas hochgeladen hatte starb ich 1000 Tode, weil ich dachte, ich könnte ja was falsch machen und alles geht kaputt. Zuvor hatte ich mal was im Intranet der Klinik erstellt mit meinem selbsterlernten HTML aus Büchern und meinem Laienwissen in Sachen Grafik.
Dann kam meine erste Organisation einer "Fahrkette" - haha - irgendwie war niemand erreichbar und aus Suceava kam eine Meldung nach der anderen "der Hund muss mit, wir brauchen eine Pflegestelle" - "der Hund kann nicht mit, dafür kann der mit" - während gleichzeitig hier Pflegestellen absprangen und sich einfanden und ganz ehrlich - ohne Conny wäre ich vom Balkon gesprungen. Da traten wir zum ersten Mal richtig in Kontakt. Sie erschien mir als unerschöpfliche Quelle an Ruhe und flexiblen Pflegestellen.
Ja und eigentlich sollte ich das ja nur ausnahmsweise mal machen, stellvertretend, so als Unterstützung, so wie eigentlich auch die Website und plötzlich war Roxi weg
Ich weiss nicht wie es kam, aber ich war immer mehr eingebunden. Das ging so schleichend und doch war es plötzlich, dass ich mitten drin im Geschehen war. Hier was organisieren, dort was absprechen, meine Meinung war gefragt - aber Hilfe - um eine Meinung zu haben muss man doch Hintergrundwissen besitzen. Also los - hotteflotte Wissen aneignen.
Nur noch mal zur Erinnerung. Ich war bis zum Spätherbst 2005 harmloser Halter von 2 Hunden, Hobbywebsitegestalter und sonst völlig ahnungslos. Großartiges Wissen rund um Hunde keine Spur, warum auch, uns gings gut und im Bedarfsfall hat man ja GH. Von Rechtsgedöns, Parasitenkram, Finanzzeugs und Co keinen blassen Dunst.
Ich hab x mal nachgefragt, wie das denn nun funktioniert an den Grenzen und kaum hab ich es endlich drauf mit Privattransporten, kommerziellen Transporten ist alles wieder anderes, weil sich der Papierkram wieder geändert hat und nun ist wieder alles anderes, denn nun sind wir in der EU - äh Rumänien ist nun in der EU.
Wie funktioniert das denn nun mit den TA-Rechnungen? Und den Spendenquittungen? Und wie mit den Titerbestimmungen? Ach ja, braucht man jetzt ja nicht mehr... und was ist mit den Bluttests? Was? Welche Röhrchen zur Blutabnahme? Warum gehen die Tests und die anderen Tests nicht? Aha, klar und was bitte hat es denn mit diesen ***iosen auf sich (Babesiose, Anaplasmose,..)? Und was macht man dagegen? Aha... puh .. gut ... und wie ist das mit den Welpen? Und warum sterben einige? Kann man denn nichts tun? Ab welchem Alter dürfen und können sie in welcher Weise einreisen? Was kann man denn gegen die Milben machen? Ach so, es gibt verschiedene Milben (war ja klar
Dann sind da ja noch die rumänischen Mitstreiter. Oh, was hab ich mir hier oftmals die Haare gerauft, weil es nicht so funktionierte wie ich mir das vorgestellt habe. Warum machen die das da nicht so, wie es doch sinnvoll erscheint. Tja, warum? Das kann keiner erklären, der nicht selbst da war. Als wir im April letzten Jahres dort zum ersten Mal mit dem Transporter ankamen hatten wir einen hübsch sauberen Plan in der Tasche wie wir was machen wollten. Ich weiss nicht, wo wir diesen Plan gelassen haben ... aber er war weg und vermisst hat ihn auch keiner. Wenn man dort ist hat man alles vergessen, dort herrschen andere ... ja andere ... ich weiss nicht, alles ist anderes. Es ist als würde man in eine fremde Welt eintauchen und mit diesem Eintauchen nimmt man automatisch sämtliche Gesetzmäßigkeiten an. Alles was in Deutschland problematisch angesehen wird ist in Rumänien nicht von Belang, nicht wirklich wichtig. Aber wenn mich einer fragt, warum dies oder jenes denn nicht umsetzbar ist, dann kann ich darauf keine Antwort geben, ich kann es nicht an bestimmten Kriterien festmachen. Wahrscheinlich fehlt mir einfach der Weitblick, das nötige Wissen um Kultur und Lebensumstände, aber vor Ort lebt man es einfach, man kann es fühlen und braucht nicht mehr fragen.
Mir lag auch vorher schon viel an den Hunden und an BrunoPet, aber als ich zurück kam waren es alles MEINE Hunde. Das Verlassen des Tierheims war schlimm, der "Grenzritt" ein emotionales Desaster und als Bosse als erstes ausstieg war ich fertig mit den Nerven. Die Tatsache, dass manche mit den Hunden nicht zurecht kamen – mit meinen Hunden sozusagen – bescherte mir keine innere Ruhe. Auch dies wollte also gelernt sein. Ich bin sehr kontrollsüchtig und hab eine blühende Fantasie. Was entlaufene Hunde mir Sorgen bereiten kann man sich ja vorstellen. Inzwischen durfte ich mir einiges an Wissen aneignen was zu tun ist - und wieder was gelernt.
Und wie das halt als Lernender ist, der sieht, dass viel Arbeit ansteht und dem wegen Mangel an Fachwissen die Hände gebunden sind, es entsteht Frustration ob dieses Unvermögens und man überlegt, wie man sich denn noch besser einbringen kann. Und dann fiel in meinem Privatleben ein Satz, der mein Leben nochmals völlig auf den Kopf stellen sollte.
Kennt ihr das? Jeder hat doch irgendein Reizthema, wo jegliche Vernunft sich verabschiedet und man völlig starrsinnig handelt und auf alle Konsequenzen pfeift. Naja, vielleicht nicht bei jedem so krass, aber bei mir gibt es so ein Thema. Das Thema heisst Selbstbestimmung. Alle Sätze, die mit "du musst..." anfingen haben in meiner Kinder- und Jugendzeit wahre Rebellionen in mir auslösen lassen und entsprechend mein Handeln bestimmt. Zum Glück liess das mit fortschreitendem Alter nach.
Es gibt nun mal Aspekte in Sachen Tierschutz, die ich nie machen kann, die ich nie entscheiden kann und dazu gehört das Thema Vermittlung. Die Auswahl meiner Pflegehunde traf ich nach "Zweckmässigkeit". Einen kranken Hund und einen ängstlichen Hund erschien mir am sinnvollsten und so kamen Elli und Sky zu mir. Wie das ausgegangen ist wisst ihr ja schon... keiner hat das Haus mehr verlassen und ich habe es noch keinen Tag bereut. Die Vorstellung, dass jemand meiner Elli das Buddeln nicht gönnt und mit diesem zarten Wesen schimpft oder das jemand Skys für mich ganz klares Verhalten und ihre Mitteilungen nicht erkennt und ihr dadurch auch nicht die für sie immer noch täglich so wichtige Bestätigung und Sicherheit gibt...
Ich habe immer gerne Antworten parat, das bin ich aus meinem bisherigen Leben gewöhnt. Ich bin Krankenschwester und Praxisausbilder. Kompetenz ist also das Zauberwort. Wissen aneignen, analysieren, reflektieren, handeln und sein handeln reflektieren. Das ist das, was ich in meinem Berufsleben vermittle. Ich habe kein Problem in der Schülerrolle zu stecken, aber – huch – muss das in diesem Tempo sein? Antwort – ja, es muss.
Auch BrunoPet steckt voll in einer rasanten Entwicklung. Zum einen ist einfach der Bedarf da, es muss gehandelt werden und zum anderen wird es auch von verschiedenen Stellen erwartet. Dieser Handlungs- und Erwartungsdruck treibt diese Entwicklung vorwärts. Von der ersten Finanzierung (mittels Patenschaften) eines Tierheimes um ein Überleben zu sichern -*Lernfeld Gesetzeskunde, Vereinsgründung,..*- ist BrunoPet fähig geworden eine große Anzahl an Hunden herzuholen um die Lebenssituation vor Ort entscheidend zu verbessern -*Lernfeld Zusammenarbeit mit Tierheimen, Rechtskunde Grenzübertritt, Zusammenarbeit mit anderen Organisationen (Transporter, Tierheimeinsatz, Bluttests), Vermittlung und Pflegestellen - Stichworte wie Verträge, Finanzierung, Zwischenmenschliche Beziehungen, Organisation, Vor- und Nachkontrollen, Verhaltensprobleme, Erkrankungen usw.*- alles nur Auszüge des Tätigkeitsspektrum.
Von Vorteil für diese Expressentwicklung war, dass BrunoPet nur einen ganz kleinen Kreis an Personen hat, der sich die Verantwortung teilt. Dadurch konnte sehr schnell und flexibel auf jede Anforderung reagiert werden. Ganz ehrlich, wir kamen auch nicht wirklich dazu diesen Kreis zu erweitern. Nachteil war, dass wir mehr als einmal davor standen das Handtuch zu werfen.
All die Arbeit wurde natürlich von viel mehr Personen getragen. Viele schlossen sich BrunoPet an, einige sind auch wieder gegangen. Die Gründe waren Vielerlei, aber wenn man den Gründen nachgeht waren sie fast alle auf die mangelnde Zeit der Verantwortlichen zurückzuführen. Nur woher nehmen??? Manchmal nein, eigentlich öfter antwortete ich auf eine Frage und musste die PN mehrfach editieren, weil nicht mal ein Hallo und Ade drinne war. Nur die nackte Info und ab zum Nächsten. Oder es kam auch schon vor, dass ich auf einem Bein hüpfend um mir die Hose anzuziehen und mit der anderen Hand die Zahnbürste in den Mund steckend, dastand, während ich den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr klemmend noch eben was abklären wollte, was in einem einzigartigen, gurgelnden Nuscheln endete. Manchmal dauert es mir sogar zu lange den PC runterzufahren und ich zieh einfach den Stecker. Von wem bitte schön kann man denn verlangen dieses Tempo mitzugehen?
In Entwicklungsphasen erfindet man nicht alles neu. Man hört sich um, man schaut sich ab und holt sich Rat bei den "Großen". Manches kommt von Anfang an nicht in Frage, manches probiert man aus und passt es den eigenen Rahmenbedingungen an und manches hat sich einfach nicht bewährt (zumindest für diesen Zeitpunkt nicht). Und manches bleibt auch einfach ein Traum – erstmal. Wie unsere kleine Auffangstation. Birgit und ich haben mit viele Hingabe an diesem Projekt gearbeitet und auch schon sehr viel erreicht, doch es ist wie überall – ohne Mos nix los. Es lässt sich aus finanziellen Gründen überhaupt nicht realisieren. Das hatte mich ziemlich runtergezogen, doch eigentlich hatte ich dadurch gewonnen. Nämlich eine gute Freundin, mit der ich das Ganze jederzeit wieder in Angriff nehmen würde.
Nun heute treten wir in die Phase des Niederlassens ein. Situationsverbesserung vor Ort, feste Bleibe einrichten, Organisation in Zukunft, agieren statt reagieren und einen Standort im Tierschutz allgemein bestimmen. Die Kastrationsaktion der Strassenhunde war ein erster Schritt dorthin. Es werden Kontakte geknüpft und langsam sind wir soweit, dass wir auch mal anderen geben können statt immer nur um Hilfe bitten müssen. Leider kostet das alles wieder viel, viel Geld. Mit den Patenschaften werden die Kosten des Tierheims kaum abgedeckt, da mit schwindener Anzahl an Hunden die Lohn- und Nebenkosten immer mehr ins Gewicht fallen. Der Umzug auf ein neues Gelände benötigt Geld, dass wir momentan nicht zur Verfügung haben. Rechtsfragen sind zu klären, welche Möglichkeiten wir besitzen um das Fortbestehen von BrunoPet anders zu gestalten usw. An ein Zurücklehnen ist also in keinsterweise zu denken. Es gibt immer viel zu tun und zu sorgen, doch wenn ich mich umschaue und sehe wozu eine handvoll Menschen fähig ist, dann bin ich auch sehr zuversichtlich und freue mich dabei zu sein. Vielleicht sage ich in Zukunft nicht mehr "ich bin im Tierschutz tätig" sondern "ich habe das unverschämte Glück als klitzekleiner Lehrling im Tierschutz mitwirken zu dürfen", auch wenn man mir inzwischen den Titel "2. Vorsitzende" an den Arsch genagelt hat.


